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Eman Robitschek to Alfred Robitschek - May 15, 1925

Transcription and translation by Werner Sepper.

Zukunftsmusik   (S) Der Sittenrichter   (G) Die Grisette*

S Als die Schöpfung die Lebensgehilfin aus der Rippe des Mannes riss, schuf sie ein Geissel der Moral.

G Schade dass sie sie nicht aus der Kinnbacke eines Esels nahm und lange vor Simson Philister wie Sie in die Flucht jagte.

S Sie sind das Zerrbild des Frauenideals.

G Vielleicht ein weiblicher Krampus mit Zopf oder Bubikopf.

S Sie sind fähig, auch mit der Hölle zu kokettieren.

G Sie widersprechen sich, Herr Splitterrichter. In Ihrer einleitenden Expekteration generalisieren Sie das Weib als moralische Popanz und jetzt sehen Sie es in der ätherischen Höhe der Tugend.

S Ich gestehe meinen Irrtum, als solche kam die Frauengestalt nie vor meine Vorstellung.

G Und ich gestehe, dass die Tugend nicht Gewatterin bei meiner Taufe war.

S Wer trägt die Schuld?

G Die Männer und die Zeit.

S Lassen Sie die Zeit aus dem Spiele. Weiber Ihres Schlages hat es zu jeder Zeit gegeben.

G Dann die Männer?

S Die werden, was ihr aus ihnen macht. Schon Adam erlag der weiblichen Verführung.

G Fangen Sie wieder von vorne an, salbungsvoller Tartüffe**. Sie tragen die Philosophie im Dokrorschilde und lassen es zu, dass Sinnlichkeit alle Lebensweisheit in den Grund bahn.

S Sie haben recht, kleine Philosophin mit Kneekleid und offenherzigen Ausschnitt.

G Wir wissen die Männer zu fesseln, Sie nicht die Frauen.

S Mit Pelzen und Brillanden.

G Nein, durch Gleichstellung der Frauenwürde mit der Würde des Mannes.

S Sie wollen nicht etwa Minister oder Staatspräsident sein?

G Die Politik steht ausserhalb meiner Ideenreiche.

S Ein kluger Frauengedanke.

G Sie machten mir vorhin den Fussfreien Rock und das Decollete zum Vorwurf. Wir verzichten gerne auf die äussere Behelfe der Eitelkeit, wenn Sie unsere seelische Freiheit und die Bloslegung unserer inneren Vorzüge würdigen.

S In dieser Wissenschaft habe ich kein Rigorosum abgelegt.

G Sie hätten es auch nicht bestanden. Sie verstehen nicht in der Frauenseele zu lesen, Sie blicken mir auf den Körper.

S Ich nicht.

G Tartüffe.


Future Music   (S) The Morality Judge   (G) The Grisette*

S When creation ripped life's helpmate from the ribs of the man, it created a hostage to morality.

G What a pity that it did not take it from the jaw of an ass and long before Samson drove to flight philistines like you.

S You are a travesty of the feminine ideal.

G Perhaps a female devil with braid or bobbed hair.

S You are capable of flirting with hell.

G You contradict yourself, Mister Straw-splitter. In your introductory explanations you generalized the female as the bogeyman and now you see her in the ethereal heights of virtue.

S I admit my error, as such the female form never came into my imagination.

G And I admit that virtue was not godmother at my baptism.

S Who carries the blame?

G Men and the times.

S Omit the times from the play. Women of your sort were known in every time.

G And then the men?

S They become what you make of them. Already Adam succumbed to the female enticement.

G Again you start from the beginning, unctuous Tartuffe**. You carry philosophy in your doctoral plaque and yet you allow that sensualism drives all of life's wisdom into the ground.

S You are right, little philosopher with short skirt and openhearted neck line.

G We know how to captivate men, you do not women.

S With furs and diamonds.

G No, through equality of the female dignity with the dignity of the man.

S You would not like to be a minister or country president?

G Politics remain out of reach of my ideas.

S A smart female thought.

G Previously you reproached me for the short frock and décolleté. We would gladly renounce all external assistance of vanity, were you to dignify our emotional freedom and the baring of our inner virtues.

S For this science I did not enter a thesis.

G You would not have passed. You do not understand how to read the female soul, you only look at my body.

S I do not.

G Tartuffe.

   *A French girl or young working woman who is fond of gallantry.
   **Tartuffe = Hypocrite, Play by Moliere



 

Ein grosser im Bereiche des Geistes eine Leuchte der Literatur ist in das Reich der Schatten eingezogen. Anatole France, der hervorragende französische Romancier ist am 12 Okrober 1924 im Alter von mehr als 80 Jahren aus seinem Landsitze Bechirteim verstorben. Wenn er vor seinem obersten Richter steht, wird er ihm sagen: "Herr, ich bin glücklich in deiner Nähe zu sein, die der Menschen hat mich nicht mehr gefreur." "Das wundert mich," wird der Himmelsvater bemerken, "sie ehrten und schätzten dich, hoben dich zur Grösse, ja zur Unsterblichkeit. Zu den Frommen zähltest du allerdings nicht." "Erlaube, lieber Gott," wird sich der Ankömmling rechtfertigen. "Ich war kein Frömmler. Ich habe von einem jüdischen Kanzelredner gehört, der am Sabbath rauchte und an der Versöffnungslage ergeben, der zu seinen Zuhörer zu sagen pflegte: "Richtet Euch nach meinen Worten, nicht nach meinen Taten." Ich war Idealist, Philosph, Humorist und Humanist. Der Idealismus is rodt, der Geist und die Humanität werden mit Füssen getreten und der Witz ist der Welt ausgegangen."

 

 

A great one in the domain of the mind, a leading light of literature, moved into the realm of the shadows. Anatole France, the eminent French romanticist died in his country estate Bechitteim on 12 October 1924, at greater than 80 years of age. When he stands before his highest judge, he will say: "Lord, I am happy to be near you, no longer among people I did not enjoy." "That puzzles me." the heavenly father will remark, "they honored and esteemed you, raised you to lofty heights, even to immortality. To the pious, however, you do not belong." "Permit me, dear God," the newcomer will justify himself, "I was not a hypocrite. I have heard from a Jewish preacher, who on the Sabbath smoked and was given to drunkenness, was in the habit of telling his listeners: "Follow after my words, not after my deeds." I was idealist, philosopher, humorist and humanist. Idealism is dead, the spirit and humanitarianism is trampled under foot and the joke is gone from the world."

 

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Last revised 05 MAR 2014


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